Raleigh Austin Compact im Praxistest

Nicht in jede Heckgarage im Wohnmobil passt ein ausgewachsenes Fahrrad. Selbst wenn die Breite passen sollte, macht einem oftmals die Lenkerhöhe des Fahrrads einen Strich durch die Rechnung mit dem Ergebnis: das Fahrrad passt nicht ins Wohnmobil. Hier gibt es allerdings eine Lösung: ein Kompaktrad fürs Wohnmobil. Reisemobil PRO hat mit dem Raleigh Austin Compact ein aktuelles kompaktes E-Bike fürs Wohnmobil getestet.

Das Raleigh Austin Compact wird in einem für ein Kompaktrad wirklich überdimensionalen Karton geliefert, im ersten Moment zweifelt man an der Richtigkeit der Lieferung und wähnt ein normales Fahrrad im Karton. Der Inhalt passt dann aber, es handelt sich um eines von zwei Kompakt-E-Bikes fürs Wohnmobil der Marke Raleigh aus dem Hause Derby Cycle mit Sitz im niedersächsischen Cloppenburg. Derby Cycle vereint übrigens die Marken Focus, Kalkhoff, Raleigh, Univega und Rixe unter einem Dach.

Fliegengewicht mit mittlerer Reichweite

Beim Herausheben aus dem großen Versandkarton fällt sofort das für ein E-Bike wirklich leichte Gewicht auf, obwohl der Akku bereits am Rahmen installiert war. Hier macht sich der vergleichsweise kleine 250 Wattstunden-Akku bemerkbar: Raleigh gibt eine Reichweite von bis zu 45 Kilometern an, beim Leeds Compact werden hier bis zu 180 Kilometer aufgerufen, also die vierfache Reichweite. Das Gewicht des E-Bikes verschweigt Raleigh leider, gerade das ist aber bei Kompakträdern ein gewichtiges Entscheidungskriterium und hier könnte das Austin Compact punkten.

Edler Look im modern matten Design


Das Austin Compact sieht sehr gelungen aus, der matte Look ist modern-zurückhaltend, der Austin-Schriftzug ist dunkel auf schwarz gehalten und trägt nicht auf. Der massive Frontgepäckträger mit integrierter Beleuchtung und Reflektor verleiht dem Rad einen unverwechselbaren Auftritt. Aus ergonomischen Gründen ist ein Frontgepäckträger jedoch ungeeigneter als ein traditioneller Heckgepäckträger, weshalb sich die Frage stellt, warum das Rad über dem Hinterrad – dort sitzt schließlich auch der Bafang-Heckantrieb – überhaupt nicht mit einem Gepäckträger ausgestattet wurde. Der Vorteil der Vorderradlastigkeit im Zusammenhang mit dem Frontgepäckträger ist nicht ersichtlich.

Motorstart am Akku

Auf den ersten Blick sieht man sofort, dass etwas E-Bike-typisches am Lenker fehlt: der Tacho mit Motorsteuerung. All dies steuert man beim Austin Compact am Akku, der hinter dem Sitzrohr sitzt. Zur Entnahme liegen zwei Schlüssel bei, ein Rahmenschloss ist nicht montiert.

Am unteren hinteren Ende des Akkus befindet sich die multifunktionale Akkutaste, mit der das Pedelec angeschaltet, der Akkuladezustand überprüft und der Unterstützungsmodus verändert wird. Das Austin Compact verfügt über drei Unterstützungsstufen:

  • Fünf LEDs: 100% – volle Unterstützung durch den Motor
  • Drei LEDs: 70% – reduzierte Unterstützung zugunsten höherer Reichweite
  • Eine LED: 0% – keine Unterstützung

Beim Tritt in die Pedale unterstützt der Motor bis man entweder aufhört zu treten oder eine Geschwindigkeit von 25 km/h erreicht wurde. Es ist zunächst ungewohnt, ein Pedelec ohne Bedieneinheit am Lenker mit Angaben zu Geschwindigkeit, Reichweite und anderen Informationen zu fahren, dem Fahrspaß und der rasanten Beschleunigung bei 100% Unterstützung tut dies aber keinen Abbruch. Im Gegenteil – man genießt die Fahrt mit dem Austin Compact ganz ablenkungsfrei. Natürlich muss man zur Änderung des Antriebslevels anhalten, absteigen und die nach unten geneigte und bei Sonnenschein ungünstig abzulesende LED-Anzeige bedienen. Im täglichen Betrieb mit dem Austin Compact wird man aber eher nach dem simplen Prinzip „Anschalten – Losfahren“ vorgehen.

Keine Schnellspanner

Bei der Montage fällt auf: es gibt keine Schnellspanner, weder am Lenker noch an der Sattelstütze. Hier haben das Raleigh Leeds Compact und das Flyer Pluto einen klaren Vorteil mit den „Speedlifter Twist“ genannten Schnellspannern. Damit verändert man die Höhe von Lenker und Sattel und findet überdies bequem die richtige Mittelposition beim Lenker, es rastet hörbar mittig ein – eine ausgesprochen komfortable Lösung. Es scheint allerdings auch beim Austin Compact nicht vorgesehen, den Lenker für den Transport zu drehen. Aufgrund des wuchtig breiten Frontgepäckträgers wäre die Ersparnis in der Breite allerdings auch zu vernachlässigen. Das Fehlen von Schnellspannern am Austin Compact ist ein klarer Nachteil, zum Verstellen des Sattels bedarf es eines Inbus-Schlüssels, der nicht beileigt.

Koga beispielsweise ist in dieser Hinsicht vorbildlich und liefert beim E-Nova Nuvinci einen schicken Multi-Schlüssel gleich mit. Praktisch wäre auch,wie in der Bedienungsanleitung gezeigt, ein visuelles Höhenmaß an der Sattelstütze.

Sehr bequeme Lenkergriffe von Ergon


Die ergonomischen Lenkergriffe von Ergon sind wahre Handschmeichler und passen perfekt zum Lenker. Sie bieten ein gutes Griffgefühl und Kontrolle.

Falsche Bedienungsanleitung?

Im Lieferumfang befindet sich eine Kurz-Bedienungsanleitung, eine CD mit einer umfangreicheren Anleitung sowie eine Bedienungsanleitung für ein Modell namens „Pedelec Groove Go“:

Offenbar handelt es sich aber trotz des verwirrenden Titels doch um die richtige Anleitung. Beim Groove Go handelt es sich nach unserer Recherche um den Hinterradnabenmotor von Bafang.

Mangels CD-Laufwerk an unseren Redaktionsrechnern konnten wir die CD leider nicht ausprobieren. Hier wäre ein simpler Link sicher sinnvoller, das spart den Rechner und holt die Bedienungsanleitung aufs Smartphone, gerade bei der Montage wäre das außerordentlich praktisch. Zur durchaus wichtigen Lenkermontage fand sich übrigens nur ein kurzer Zweizeiler mit Verweis auf die Montage durch den Fachhändler.

Lenker in der Höhe nicht verstellbar


Am Steuerrohr befindet sich eine farbige Markierung, leider konnten wir aber nicht herausfinden, was diese genau macht. Eine Höhenverstellung war damit jedenfalls nicht möglich. Außer über die beschränkte Einstellung des Lenker-Winkels konnten wir den Lenker in der Höhe nicht verstellen, er war für einen Erwachsenen damit schlichtweg zu niedrig.

Gut ausbalanciert zum Tragen

Das geringe Gewicht und der ausbalancierte Rahmen machen das Tragen des Austin Compact sehr einfach. Im Vergleich zum Produktbild des Herstellers fehlte bei unserem Austin Compact übrigens der mittige Tragegriff, deshalb lässt sich nicht feststellen ob dieser größeren Komfort böte.

Wenig Kettenschutz = schmierige Hose

Das Austin Compact verfügt lediglich über einen rudimentären Kettenschutz direkt am Kettenblatt. Das ist für ein Fahrrad aus der „Urban“ genannten Kategorie für den Stadtgebrauch nicht zeitgemäß.

Angenehmes Fahrverhalten


Der stablie Rahmen, die Schwalbe-Bereifung mit 5,5 Zentimeter breiten 20-Zoll-Reifen und die komfortablen Ergon-Griffe verleihen dem Austin Compact ein ausgezeichnetes Fahrverhalten und perfekte Laufruhe. Das Anfahren geschieht sanft, man beschleunigt allerdings mit Nachdruck, vom kleinen Akku merkt man nichts. Der Vorteil des Heck­antrieb: er schont Gabel und Rahmen, ohne Kette, Ritzel und Kettenrad zu strapazieren. Man spürt die direkte Kraftübertragung des Hinterradnabenmotors beim Austin Compact sofort. Auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 25 km/h fährt man locker weiter, der vormals nicht seltene abrupte Verlust der Motorunterstützung fällt beim Bafang-Antrieb angenehm sanft aus.

Das Raleigh Austin Compact mit Shimano 9-Gang-Schaltung ist im Handel für 1.700 Euro erhältlich und gehört damit zu den günstigeren Kompakt-E-Bikes.

Fazit unseres Praxistests

Das Raleigh Austin Compact ist ein E-Bike fürs Wohnmobil. Seine kompakten Maße lassen es gut verstauen, auch optisch ist es im matt-schwarzen Design ein echter Hingucker. Das ausgewogene Fahrverhalten spricht Komfortradler an, die ordentlich zupackenden Scheibenbremsen sind in dieser Preisklasse eine Seltenheit. Dank Griffrohr lässt sich das Pedelec gut tragen. Der großformatige Frontgepäckträger in Verbindung mit einem Fahrradkorb fürs E-Bike erlaubt unterwegs einen breiten Einsatzbereich.

Die Reichweite könnte für manchen Wohnmobilisten zu gering sein. Außerdem mag der ein oder andere eine Klappmöglichkeit vermissen, die das ohnehin kompakte Rad noch ein wenig kleiner handlicher machen würde. Ein leicht gebogener Lenker würde den Fahrkomfort zusätzlich erhöhen.

Das starke Drehmoment des Hinterrad-Motors in Kombination mit 20-Zoll-Rädern sorgt für sportliche Beschleunigung und große Agilität, die gute Bremsanlage fängt das Austn Compact allerdings auch immer wieder sicher ein.

Reisemobil PRO
Logo